Der Ent der zur Magd gesprochen - Weihnachtsgeschichte 2023


Zu einer Zeit, da das Abendlicht des Hauses noch von der Kamine und Kerzen Flammen rührte und das Feld nach des Wetter's Laune bestellt wart, begab es sich einst, dass ein junge Magd sich auf des Heimweg's Laufe unter einer gar majestätischen Eiche niederließ, Welche sie auf einem kleinen Hügel unweit des Weges erblickte, der jenes kleine Dörflein, das die Magd seit Jeher als ihr Heim nannte, mit der nahegelegenen Großen Stadt verband. Nur kurz rasten unter den lauschig anmutenden Geäst dieses Hölzernen Gewuchers wollte sie, als sich da just ein lautes Knarzen vernehmen ließ. Worauf die Magd ihren Blick zur Krone des Baumes richtete, die sich ihr sogleich einem Schirme aus Ästen & Blättern ähnelnd, über ihr Haupt zu wölben begann. "Herr im Himmel, erbarme Dich Meiner! Welch' Teufelswerk ist Dies denn nun???", entwich es ihr in staunenden Schrecken, worauf eine tiefe Stimme erwiderte: "Oh, Kind...weder ist's das Werk des Teufels, noch ein Zauber, der Dir zuteil wird. Einem Ent Du dich hast zu Füßen gelegt in deinem Wunsche, zu rasten und Dies sei denn nun Dein besonder's Glücke zu diesem Tage. Eine Frage sei Dir gewährt, mir zur Antwort zu stellen und antworten werd' Ich sie Dir, fürwahr." Der jungen Magd anfänglicher Schrecken wich bei diesen Worten sogleich dahin, gefolgt von großen Staunen und sie richtete sich auf vor der Alten Eiche und siehe, da erblickte sie zwei Kastanien als Augen, die da schauten aus des Stammes Rinde. Und sie waren klar wie das Wasser eines kleinen Baches und zu den Augen gehörte auch das hölzerne Antlitz eines Greises. Da verneigte sich die Magd in Ehrfurcht vor dem Ent und sprach: "Verzeiht mir, großer Hirte des Waldes, dass Ich mich so unbedacht auf Euren Wurzarmen danieder ließ. Nie hätte Ich Dies getan, wenn Ich gewusst, dass Dies Euer Ruhplatz ist. Wahrlich, Ich bin geehrt, Euch zu erblicken und danke von Herzen für dies' güt'ge Geschenk, das Ihr mir bereitet. Doch will mir Nichts in den Sinn, mit Dem Ich Eurer Weisheit auch nur ansatzweise würdig werden könnte. Und würdig erweisen möcht' Ich mich Euch, denn Ihr seid der Hüter des Waldes mit weiten Blicke, hellen Gehör und reichen Wissen. Welch' Frage wäre Einem der Euren aus dem Munde der Meinen schon würdig, da erhört zu werden. Doch will Ich mich wenigstens einmal auf eine solche Frage besinnen, als Dank für Euer Beisein und Euer güt'ges Wesen." Und so dachte die Magd für eine Weile, als sie nunmehr aufsah und sprach: "Oh großer Hüter des Waldes, der Ihr da schon Allerlei sahet und hörtet...sicher ist Euch nicht entgangen der Menschenherzen wachsende Kälte dieser Tage. Ohne Zweifel vernahmt ihr die kalten Blicke voller Misstrauen, die verschwörerischen Worte der Gier & Missgunst und bestimmt ist Euch nicht verborgen geblieben, dass den Schwachen immer mehr mit der Peitsche, statt mit der Stütze begegnet wird. Wahrlich, es ist schrecklich mit anzusehen und es bricht mir doch mein armes kleines Herz, Meinesgleichen auf diesen Irrweg des seelischen Verfalls erblicken zu müssen. Da Ich mich doch einer Zeit ersinne, wo Dem nie so wart und Güte sowie Liebe zum Nächsten des täglich' Leben bestimmten. Mein Herz weint, mein Kopf schreit und meine Augen wissen nicht mehr weiter. Oh Hüter des Waldes, sag', weist Du um die Wurzel dieser Verfinsterung der Menschenherzen und wenn Dem so sei, welchen Rat kannst Du geben?" Da erwachten des Ent's sternenklare Augen zu größeren Leben als je zuvor und er murrte in sich hinein, während die Magd zum ersten Mal das Glück genießen konnte, einem solchen uralten Geist der Natur beim Nachsinnen beiwohnen zu dürfen. Und der Ent gab sobald Antwort: "Freilich, mein Kind. Es sind gar dunkle Tage, die Euresgleichen derzeit beschwören. Die Schwärze der Unterwelt ergreift einmal mehr Besitz von des Menschen Geisteskraft und verführt Herzen wie Köpfe zugleich mit der Furcht vor dem Unbekannten und dem Unverständlichen, auf dass die Gier nach Macht und Besitz erblühe und die Stämme der Menschen in einem Strudel unnätürlicher Meere der Fabrikation und Technik spalten und elendig ersaufen lassen möge. Du, mein Kind, blickest recht, wenn Du Dies erkennst und wahrlich, Ich sage Dir, dass Dies kein gutes Ende nehmen wird mit den Deinen, wenn sie sich nicht wieder auf die innere Stimme ihres guten Willens & Verstandes besinnen und weiter die Gutmütigkeit in spalterischer Finsternis zu suchen gedenken. Doch auch Dies ist gewiss, dass Euch zu jeder Zeit der Weg ins Licht besteht und der Menschen Weg in bessere Gestade immer noch bereitet werden kann; mag die Hoffnung hierauf noch so bescheiden sein. Euer Fortbestand steht auf des Messer's Schneide, wie Euer Väter Sagen zu pflegen. Und doch besteht Hoffnung." Und als die Magd da nun diesen Worten lauschte, ward ihr Geist erfüllt von freudiger Erleichterung, derweil sich ein kleiner Ast auf ihrer Schulter sogleich niederließ, als des Ents' Blick sich auf den Ihren legte und er zu ihr sprach: "Wahrlich, das Leiden dieser Welt kann Ich Dir nicht erlösen. Doch Trost und Hoffnung, Das kann Ich Dir spenden. Und als Rat vermag Ich Dir nur so viel zu sagen: Liebe Deinen Nächsten so wie Du dich selbst liebst. Denn auch dein Nächster sehnt sich nach der Liebe, die Du bereits gefunden und deines Nächsten Finsternis ist auch nur aus der Menschenliebe' Abstinenz erwachsen. Liebe und helfe, wo es Dir fähig sei und verrichte dort das Menschenherzenwerk, wo es nicht verrichtet wird und erinnere Deinesgleichen so an Das, was sie in Anderen zu suchen pflegen, wo es ihnen doch bereits inne wohnt und Alles, das sie tun müssten, nur im Zuhören bestünde. Im Zuhören auf das Wort aus dem Inneren." Und so erhoben sich die Äste seiner Krone 'gen Himmel und Alles, was die Magd sogleich noch sah, ward Nichts mehr als eine große alte Eiche auf einem Hügel. Und so fasst sich die Magd, im Geiste erneut gestärkt und frohlockend, ihren Heimweg fortzusetzen und von da an zu tun, wie ihr der Ent geraten hatte. Und wenngleich die finsteren Tage dadurch auch nicht zur Gänze dahin zu schwinden vermochten, so erwirkte sie doch viel Schönes durch ihre Taten und erweckte das Gute in vielen Menschenherzen erneut, auf dass Diese es ihr bei vielen Anderen gleich taten.