ZEVENDAYZ - Sechster Brief: Massakriert


17. Februar 2025
North Stonington, Connecticut, USA


Es ist hier. Dieses Ding, Dem Ich zuvor in jenem Pickup entflohen bin, ehe mich diese GIs aufgriffen. Es hat sich unaufhaltsam durch ihre Reihen gemetzelt, deren Fahrzeuge zerstört und trotz anhaltenden Widerstand beinahe die gesamte Basis der GIs auf den Kopf gestellt. Im Eifer dieses Durcheinanders gelang es mir zwar, meinem Gefängnis schließlich zu entkommen, mir damit jedoch keinen wirklichen Vorteil zu erarbeiten. Ich habe mich in einen getarnten Unterstand zurückgezogen und liege hier jetzt vermutlich schon mehrere Stunden reglos auf dem trockenen Boden. Die Sonne hat sich längst über ihren Zenit hinweg bewegt und die Luft ist geschwängert von einem Gemisch aus Dämpfen, deren Geruchsmarke sich aus Brandrauch, verfeuerten Petroleum und toten Menschenfleisch zusammen zu setzen scheint. Ich halte den Atem an und lausche. Lausche auf das Ding, das da draußen immer noch umher streift. Es sucht mich. Ich weis es.

Später – Die Stunden ziehen sich zäh dahin. Das Ding wühlt frenetisch in den Trümmern nach mir. Ein zischendes Schnaufen mischt sich bisweilen zwischen regelmäßiges Hecheln. Glücklicherweise konzentrieren sich dessen Suchaktivitäten nicht auf den Geltungsbereich meines Versteckes und so wagte Ich einen verstohlenen Blick durch die vielen Lagen Tarnnetz auf seine Gestalt. Gott, dieses Kreuz. Und was im Namen von Himmel & Hölle ist Das nur für ein Fell? Blicke Ich hier etwa auf den Pelz eines Grizzlys? Nein, dafür passt die Statur schlichtweg nicht und Pferdefell können wir gleich vergessen. Wäre Das ein Pferd, würde es sich ja nur auf seinen Hinterhufen fortbewegen und Das ist dann doch eher Was für den Zirkus oder so. Und dann diese Pranken...diese gigantösen Klauen, welche sich wie besessen durch das Chaos wühlen. Ich will nicht hinsehen. Doch wegschauen kann Ich ebenso wenig. Eine schimmernde Pupille streift mein Versteck, als sich das Ding aufrichtet und umblickt. Ein kurzes, dumpfes Knurren. Dann schließlich setzt sich die Kreatur wieder in Bewegung, den Schritt gezielt in Richtung eines nahegelegenen Waldstückes haltend.

Nachts – Die Stille ist erdrückend. Ich habe mich nach wie vor nicht aus meinem Versteck gewagt. Zu riskant wäre es jetzt, sich derart offensichtlich zu erkennen zu geben. Nicht ohne die Gewissheit, dass dieses Ding mir nicht mehr auflauern kann. Ich habe also beschlossen, diese und die kommende Nacht hier im Unterstand zu verbringen und erst dann weiterzuziehen. Egal, ob zu Fuß, zu Rad oder mit einem Wagen. Ein beißender Verwesungsgestank beginnt sich langsam auszubreiten und bisweilen streifen Wildtiere auf nächtlicher Wanderschaft durch das Gewirr aus Holz, Stoff, Stahl & Getöteten. Ein fernes Heulen schließlich kündigt Kojoten auf der Jagd nach Beute an. Die Kälte der Finsternis lässt mir einen Schauer den Rücken hinauf jagen. Welch’ ein Wahnsinn Das Alles doch ist…

Dämmerung – Ich konnte nicht schlafen. Lag’ einfach nur da und starrte die mich umgebenen Tarnnetze des Unterstandes an. Ab und zu ein Blick in die Umgebung gewagt. Das Ding zeigt sich nicht. Doch Ich weis, dass es immer noch da ist. Es lauert. Auf mich. Aus welchen Gründen auch immer. Die Furcht vor Dem, was mich erwartet, lähmt mich beinahe.
Was mich erwartet….ja, Was erwartet mich eigentlich? Was hindert mich denn wirklich daran, dem Ding einfach gegenüber zu treten? Ein für allemal der ganzen Sache ein Ende setzen? Was habe Ich denn jetzt noch zu verlieren, außer meine eigene Lebendigkeit? Fressen oder gefressen werden; Das ist doch jetzt die Losung, oder? Mit den Infizierten wie mit den Menschen gleichermaßen. Warum nicht also auch für dieses Ding?
So denke Ich. Doch eine Stimme tief in mir nagelt mich weiterhin fest. Mein Wille, zu überleben, ist wohl noch nicht so sehr gebrochen, als dass Ich mich einfach so in ein sprichwörtliches Himmelfahrtskommando stürzen könnte. Gottverdammte Pandemie…Das Alles wäre nie passiert, wenn diese Vollpfosten von der Regierung besser aufgepasst hätten, als sie mit ihren Mikroben Gott zu spielen versuchten! Doch schon bricht der nächste Tag an. Und mit ihm die nächste Chance zur Flucht in ferne Sicherheit…